Lymphom - Wenn die Uhr bei einem bösartigen Tumor schnell tickt
Mit diffusen Bauchschmerzen fing alles an. Elias Yilo, 36, aus Ingolstadt dachte zunächst, dass er sich den Magen verdorben habe. Dann bestand kurzzeitig bei dem Ingenieur der Verdacht auf Morbus Crohn, eine chronische Entzündung im Magen-Darm-Trakt. Allerdings kam Yilo nach kurzer Zeit mit starken Schmerzen wieder zum Arzt. Die Symptome eines malignen Lymphoms, eines bösartigen Tumors, wie geschwollene Lymphknoten, Fieber, Gewichtsverlust oder Nachtschweiß seien oft unspezifisch, berichtet Oberärztin Dr. Eva-Maria Wagner aus der Medizinischen Klinik II im Klinikum Ingolstadt. Erst Biopsien des Dünndarms und Proben aus der Flüssigkeit der Bauchhöhle, also die Entnahme von Zellmaterial, führten die Ärzte zur richtigen Diagnose.
Unter dem Mikroskop sahen die Pathologen massenhaft bösartige B-Zellen im Ausstrich auf dem Objektträger. B-Zellen sind weiße Blutkörperchen, die als Antiköper-Produzenten eigentlich eine lebenswichtige Rolle für das Immunsystem des Menschen spielen, allerdings auch bösartig entarten können. Yilo bekam die Diagnose eines diffusen großzelligen B-Zell-Non-Hodgkin-Lymphoms (DLBCL) im fortgeschrittenen Stadium, einer aggressiven Lymphdrüsen-Krebserkrankung.
Unkontrolliertes Wachstum der Zellen
Ein solches malignes Lymphom entsteht, wenn sich die Erbinformationen der einzelnen B-Zellen bei der Zellteilung fehlerhaft verändern und dieser Fehler nicht repariert wird. In der Folge kann es dann zu einem unkontrollierten Wachstum der Zellen kommen. Das Spektrum des malignen Lymphoms ist sehr breit mit ausgesprochen langsam wachsenden Verläufen, die zunächst gar nicht behandelt werden müssen, und schnell wachsenden, hoch-aggressiven Formen.
Die Erkrankung von Yilo gehört weltweit zu den häufigsten Formen des Non-Hodgkin-Lymphoms bei Erwachsenen. Bei dieser Erkrankung können Tumormassen bestehend aus bösartigen Lymphom-Zellen in den Lymphknoten, der Milz, der Leber, dem Knochenmark und anderen Organen wachsen. In frühen Stadien kann die Krankheit durch Chemotherapie bei praktisch allen Patienten, in fortgeschrittenen Stadien bei mehr als der Hälfte der Patienten vollständig geheilt werden. Generell sind Männer häufiger von Lymphdrüsenkrebs betroffen als Frauen.
Bei einer schnellwachsenden Lymphom-Erkrankung tickt die Uhr. Zum Glück spricht das hoch-maligne Lymphom, wie es bei dem Ingenieur diagnostiziert wurde, in der Regel gut auf die Gabe eines Antikörpers in Kombination mit einer Chemotherapie an. Alle zwei Wochen musste er für drei Tage im Klinikum Ingolstadt an den Tropf. „Obwohl es eine der stärksten Chemotherapien war, hatte ich zum Glück kaum mit Übelkeit zu kämpfen“, erinnert sich Yilo. Aber andere Nebenwirkungen wie Schwächegefühl, starker Gewichtsverlust und Haarausfall bekam er doch deutlich zu spüren. „Falls die früher so gefürchtete Übelkeit doch auftritt, haben wir längst gute Gegenmittel“, meint seine Ärztin.
Nur ein Fremdkörper unter der Haut ist geblieben
Heute, ein Jahr nach der Diagnose, erinnert Yilo nur noch ein Fremdkörper unter der Haut auf dem Brustmuskel, direkt unterhalb des Schlüsselbeins, an diese harte Zeit. Der sogenannte „Port“ ist ein dauerhafter Venenzugang, der benötigt wird, wenn man häufig Medikamente als Infusion direkt in die Blutbahn erhält.
„Ich habe immer gedacht, dass ich geheilt werde“, erzählt Yilo. Was sich für ihn geändert habe? „Ich sehe es als positiv, so viele Leute kennengelernt zu haben, denen es zum Teil auch schlimmer ging. Die Dinge haben für mich einen anderen Wert bekommen, wie die Zeit mit der Familie oder den Freunden. Es war so schön zu sehen, wie viele Menschen aufmerksam waren und mir sehr geholfen haben. Auch im Klinikum haben sie sich immer viel Zeit genommen, mir alles zu erklären. Wir sind immer noch in Kontakt“, berichtet er.
Sein Rat für andere Patienten: “Es ist so wichtig, nicht im Bett liegen zu bleiben und zu jammern, sondern seinen Alltag weiterzuführen. Ich habe zum Beispiel nicht aufgehört zu arbeiten.” Sport spiele eine extrem wichtige Rolle, und wenn es nur ein längerer Spaziergang an jedem Tag sei. An der Rückkehr zu seiner vollen sportlichen Leistungsfähigkeit arbeitet Yilo noch immer. Aber da war das kalte und regnerische Frühjahr nicht hilfreich. Er leitet im Nebenberuf eine Schule für Stand-Up-Paddling (SUP).
Künstliche Antikörper greifen die Krebszellen an
Bei Patienten, bei denen im Labor bestimmte Marker auf den Tumorzellen identifiziert wurden, setzen die Mediziner ebenso wie bei ihm auf kombinierte Immun-Chemo-Therapien. Dann laufen neben der konventionellen Chemotherapie auch Antikörper über den Tropf, um das Tumorwachstum zu stoppen. Viele Lymphomformen können so gut behandelt werden. Die künstlich hergestellten Antikörper erkennen bestimmte Moleküle auf der Oberfläche von Lymphomzellen und binden sich daran. Dadurch werden die Krebszellen für das körpereigene Immunsystem angreifbar und sind somit besser zu bekämpfen. Zurzeit sind verschiedene solcher sogenannter monoklonaler Antikörper zur Behandlung von Non-Hodgkin-Lymphomen zugelassen. Monoklonale Antikörper erhalten die Patientinnen und Patienten in der Tagesklinik der Medizinischen Klinik II im Klinikum auch bei anderen Tumoren.
Von neuen diagnostischen Optionen und Behandlungsmethoden auf dem Niveau universitärer Häuser können Patienten mit onkologischen Erkrankungen am Klinikum Ingolstadt verstärkt profitieren. Mit dem Wechsel von Dr. Christoph Schulz vom Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in Großhadern an das Klinikum Ingolstadt als neuer Sektionsleiter Hämatologie-Onkologie wurde das ärztliche Team verstärkt. Neben seiner umfangreichen klinischen Tätigkeit in Großhadern hat er sich auch im Bereich der translationalen Forschung engagiert, die Forschungsergebnisse für eine bessere Therapie der Patienten nutzbar macht.
Jüngst wurde eine Kooperation mit dem Molekularen Tumorboard etabliert, in dem sich Spezialisten am Klinikum Ingolstadt und der LMU per Video beraten. „Dieses virtuelle Board lotet weitere Therapieoptionen aus, wenn die regulären Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind“, berichtet Schulz. Die molekulare Onkologie stellt mittlerweile eine wichtige Säule der personalisierten Krebstherapie dar. Dazu werden die Tumoren bei Patienten mit oft fortgeschrittenen Erkrankungen molekularpathologisch und genetisch charakterisiert.
Hauseigene Tumorboards gehören zum Standard
Die Beratung über die bestmögliche Behandlung in den hauseigenen Tumorboards gehört übrigens zum Standard im Klinikum Ingolstadt. Dort beraten die Ärzte der verschiedenen medizinischen Disziplinen über die bestmögliche individuelle Behandlung für die Tumorpatienten. In der Onkologie der Medizinischen Klinik II werden nicht nur bösartige Erkrankungen des blutbildenden Systems, sondern in erster Linie auch maligne Erkrankungen der Verdauungsorgane behandelt. Die Klinik unter der Leitung von Prof. Dr. Josef Menzel ist Teil des von der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) zertifizierten Darmkrebszentrums.
Ansprechpartner
Die Sektion Hämatologie-Onkologie in der Medizinischen Klinik II leitet Dr. Christoph Schulz. Neben der stationären Onkologie mit 24 Betten stehen bis zu sechs Behandlungsplätze in der Interdisziplinären Onkologischen Tagesklinik (IOT) zur Verfügung. Die Hämato-Onkologie ist spezialisiert auf die Diagnostik und Behandlung von soliden Tumoren, vor allem des Verdauungstrakts, aber auch von selteneren Entitäten wie neuroendokrine Tumoren/Karzinome oder CUP-Syndrome, metastasierten gynäkologischen Tumoren (in Zusammenarbeit mit der Frauenklinik), sowie hämatologischen Neoplasien wie Lymphome, akute und chronische Leukämien und myeloproliferativen und myelodysplastischen Syndrome sowie weiteren nicht-malignen hämatologischen Erkrankungen.