Stadiengerechte Therapie
Gerade beim Hodenkrebs ist die Einhaltung von Behandlungsleitlinien von allergrößter Bedeutung für den Erfolg der Behandlung. Dabei stützt sich die Behandlungsempfehlung auf die Diagnostik mit Gewebeuntersuchung, Tumormarkern und bildgebenden Untersuchungen wie CT. Dennoch gibt es bei einigen Situationen Behandlungsspielräume für den Patienten. In diesen Situationen ist eine optimale Beratung besonders wichtig.
Beratung bei Therapieentscheidung:
Nicht immer gibt es nur eine Therapiemöglichkeit. In diesen Fällen ist es besonders wichtig, dem Patienten und seinen Angehörigen offen und verständlich die Situation darzulegen und dann zu diskutieren und die Folgen und Konsequenzen der unterschiedlichen Verfahren zu erläutern. Dabei ist vor allem die Sorge, Angst und psychische Belastbarkeit des Patienten zu werten, denn auch eine medizinisch mögliche, „überwachende“ Strategie (Surveillance) dient dem Patienten nur dann, wenn er in seiner Lebensfreude aufgrund von Sorge und Angst vor einem Rückfall nicht beeinträchtigt wird.
Seminom:
Reine Seminome sind die einzigen Keimzelltumoren, die einer Strahlentherapie gut zugänglich sind. Der Begriff reines Seminom steht dabei für diejenigen Tumoren, bei denen außer dem Seminom keine anderen bösartigen Keimzellarten gefunden werden. Alle Tumoren mit mehreren verschiedenen Tumoranteilen werden immer wie Nicht-Seminome (s. u.) behandelt, da nur die reinen Seminome auf die Strahlenbehandlung ansprechen.
Die meisten reinen Seminome werden im frühen Stadium, also bei örtlich begrenztem Tumorwachstum ohne Absiedlungen nachgewiesen. Hier wird standardmäßig die Bestrahlung des Abflussgebietes der Lymphknoten angeboten.
Bei geeigneten Patienten hat sich eine abwartende Haltung unter engmaschiger Überwachung (Wait-and-See oder Surveillance) als möglich erwiesen. Dabei werden einerseits die Komplikationen der Bestrahlung vermieden, allerdings kommt es andererseits bei einem Teil der Patienten unter diesem Vorgehen zu einem Fortschreiten der Erkrankung. Um eine Heilung zu erreichen, ist dann meist ein erhöhter Behandlungsaufwand notwendig. Bei Patienten, für die weder eine Strahlentherapie noch ein zuwartendes Vorgehen in Frage kommen, kann auch eine relativ wenig belastende, zeitlich begrenzte Chemotherapie durchgeführt werden.
Im etwas weiter fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung, mit ausschließlich kleinen Lymphknotenvergrößerungen im hinteren Bauchraum, wird ebenfalls zu einer Bestrahlung geraten. Gibt es Gründe, welche gegen eine solche Therapie sprechen, kann alternativ auch hier eine Chemotherapie durchgeführt werden.
Bei Lymphknotenmetastasen im hinteren Bauchraum über fünf Zentimeter Größe und bei allen Patienten mit Fernabsiedlungen (Organmetastasen des Seminoms) wird in jedem Fall eine Chemotherapie durchgeführt.
Nicht-Seminom:
Hierunter werden verschiedene Keimzelltumoren des Hodens mit folgenden Tumoranteilen subsummiert: Am häufigsten sind Embryonalzellkarzinome, gefolgt von Teratokarzinomen, Chorionkarzinomen und Dottersacktumoren. Oft handelt es sich auch um Mischtumoren, mit mehreren verschiedenen Tumoranteilen, dabei können auch Seminomanteilen sein.
Im sehr frühen Stadium ist bei diesen Tumoren ohne Hinweis auf Metastasen und ohne Beteiligung von Blut- oder Lymphgefäßen im erkrankten Hoden die engmaschige Kontrolle (Watch-and-Wait oder Surveillance) möglich, auf Patientenwunsch ist auch eine Operation (retroperitoneale Lymphadenektomie RLA) oder eine begrenzte Chemotherapie möglich. Ist der Tumor örtlich in Blut- oder Lymphgefäß eingewachsen wird immer eine Chemotherapie empfohlen. In seltenen Fällen wird ein zweiter operativer Eingriff (RLA) vorgenommen. Hierbei werden die Lymphknoten im Bereich des primären Lymphabflusses im hinteren Bauchraum entfernt (siehe oben beschrieben retroperitoneale Lymphadenektomie oder RLA).
In den etwas weiter fortgeschrittenen und den sehr fortgeschrittenen Stadien – also mit Absiedlungen im hinteren Bauchraum oder anderen Organen – wird immer eine Chemotherapie durchgeführt. Gibt es Gründe, welche gegen eine Chemotherapie sprechen, kann die bereits oben erwähnte retroperitoneale Lymphadenektomie (RLA) durchgeführt, diese ist allerdings nur bei kleinen Absiedlungen, die sich ausschließlich im hinteren Bauchraum befinden, möglich. Bei Nachweis von Metastasen im Operationsgebiet erfolgt dann immer eine Chemotherapie. Sollte sich der Tumor bei allen fortgeschrittenen Tumorstadien nach Beendigung der Chemotherapie nicht vollständig zurückgebildet haben, also noch Tumorknoten (>1 cm) in der Bildgebung (CT) darzustellen sein, müssen diese Knoten gezielt operativ entfernt werden (siehe oben beschriebene Resiualtumorresektion). Eine Bestrahlung ist nicht möglich, da Nicht-Seminome nicht auf die Bestrahlung reagieren.